Timo Gottschalk aus Rheinsberg ist studierter Ingenieur für Fahrzeugtechnik, doch nicht die Werkstatt, sondern die Wüste ist zu seiner zweiten Heimat geworden. Der 46-Jährige nimmt seit 2007 als Copilot an der legendären Rallye Dakar teil und lotste seine Fahrer über tausende Kilometer nervenstark und mit sicherem Gespür für das Gelände durch die Wüsten in Afrika, Südamerika und Saudi-Arabien. Erste Rallye-Luft – noch in heimischen Gefilden – hatte er übrigens vor 26 Jahren im Trabant geschnuppert und sich dabei von Anfang an auf dem Beifahrerplatz wohl gefühlt. Nach zahlreichen nationalen und internationalen Rallye-Teilnahmen schaffte er den Sprung zu den Profis und betreibt seit 2005 den Motorsport hauptberuflich. Inzwischen fährt er seit mehr als einem Jahrzehnt fast ausschließlich Cross Country Rallyes.
Chapeau vor dem vierten Platz in der Rallye Dakar 2021 – dein größter Erfolg im Wüstenklassiker?
Das stimmt so nicht ganz, 2010 bin ich Zweiter geworden und 2011 habe ich die Dakar sogar gewonnen, damals mit Volkswagen. Dann kamen jedoch einige Jahre mit vielen Rückschlägen – daher ist der 4. Platz in diesem Jahr ein tolles Ergebnis, auf das ich natürlich stolz bin.
Mit deinem polnischen Partner Jakub Przygonski habt ihr in 12 Etappen 8.070 Kilometer durch Dünen, Sand, Geröll bezwungen. Warum gilt die Rallye Dakar weltweit als härtestes Langstrecken-Event?
Die Dakar war schon immer ein Härtetest für Mensch und Material, egal ob in Afrika, Südamerika oder jetzt in Saudi-Arabien. Es sind die großen Distanzen, die 14 Tage am Stück vollste Konzentration erfordern, und natürlich die landschaftlichen Herausforderungen, welche jeden Tag neue Überraschungen bieten können.
Deine Rolle als Beifahrer ist die Navigation – erzähl uns mehr über deinen Job im Cockpit.
Wir kennen die Strecke vorher nicht und bekommen unser Roadbook erst kurz vor dem Start. Daher muss der Beifahrer die Infos aus dem Roadbook schnell richtig deuten und dem Fahrer vermitteln.
Wälzen die Copiloten noch dicke Roadbooks oder ist heutzutage alles digital?
Seit diesem Jahr ist das Roadbook voll digital. Wir haben nur noch eine Art Fernbedienung in der Hand, um das Tablet, welches das Roadbook beinhaltet und am Armaturenbrett befestigt ist, zu steuern.
Wie hast du es geschafft, mit deiner Leidenschaft auch dein Geld zu verdienen?
Ich habe gemerkt, dass wenn ich in dem Sport weiterkommen will, das ganze Leben danach ausrichten muss. Das habe ich getan und der Erfolg hat sich eingestellt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt dann bekam ich Geld dafür und es wurde zu meinem Beruf.
Unter unseren ADAC Ortsclubs sind auch etliche Vereine, die Rallyes veranstalten. Wie wichtig ist das Engagement auf regionaler Ebene, um Nachwuchstalente aufzubauen?
Jeder fängt klein an, so wie ich auch, und da sind die verschiedenen Ortsclubs mit ihren Rallyes ganz wichtig. Der Nachwuchs muss in der Lage sein, viele Veranstaltungen zu bestreiten – jedoch auf einer günstigen Kostenbasis.
Welche drei Eigenschaften sind für einen Rallyesportler und insbesondere für den Navigator unerlässlich?
Der Navigator muss in der Lage sein, schnell Entscheidungen zu treffen, ein Gespür für das Gelände und das Roadbook entwickeln und sich außerdem durchsetzen können.
Die Corona-Pandemie bremst nach wie vor den Motorsport – was geht 2021 noch für dich?
Die Pandemie macht es gerade nicht einfach, weit vorauszuschauen. Das ganze Thema Reisen und Test mit Quarantäne macht doch vieles kompliziert. Und einzelne Veranstaltungen müssen immer wieder verschoben werden. Somit wird es wohl erst in der zweiten Jahreshälfte für uns weitergehen. Dann natürlich mit dem Hauptaugenmerk auf die Vorbereitung Dakar 2022.
Machst du bereits Pläne für die Zeit nach deiner aktiven Laufbahn?
Ich denke, einige Jahre kann ich noch gut als Beifahrer aktiv sein, aber wenn ich dann mal genug habe, kann ich mir gut vorstellen, bei einem Rallye-Veranstalter hinter den Kulissen zu arbeiten oder etwas für den Nachwuchs anzubieten.
Du bist durch den Motorsport ständig auf Achse. Was machst du denn gern, wenn du nicht im Rallyecar navigierst?
Ich mag das Reisen ja, aber aktuell bin ich mehr zu Hause, fahre dann gern Fahrrad und Motorrad. Und ich mag handwerkliche Arbeiten, das kann ich bei so einigen Projekten hier am Haus ausleben. Vor 2 Jahren habe ich übrigens einen Flugschein gemacht – also bin ich ab und zu auch mal in der Luft als Pilot unterwegs.
Wenn du einen Wunsch frei hättest und es gäbe kein Coronavirus: auf welcher Traumroute wärst du mit welchem Traumfahrzeug unterwegs?
Generell würde ich gern mehr mit dem Motorrad die Welt erkunden, ganz besonders Australien und Amerika.