In dem Herrn der Ringe brauchten Frodo Beutlin und Samweis Gamdschie 54 Tage von Bruchtal bis zum Schicksalsberg. In Jules Vernes gleichnamigen Buch schaffte es Phileas Fogg in 80 Tagen um die ganze Welt. Doch das ist nichts gegen die Zeit, die unser Straßenwacht-Gespann aus Berlin-Wilmersdorf nach Spandau gebraucht hat – knapp 70 Jahre. Das ist die Geschichte von unserer „Nummer 144“, die am Samstag, den 5. April ihre große Weltpremiere feierte.
Die Geschichte der „144“ beginnt in einer beschaulichen Scheune bei Amsterdam, wo unser Regionalclub das Gespann nach Hinweisen aus der Oldtimerszene ausfindig machen konnte.
Das BMW R 67/2 Straßenwacht-Gespann und sein Fahrer halfen den Menschen in Not - schon lange vor der aktuellen Generation der neuesten VW-Caddys und den bereits historischen Käfern. Es war quasi der erste Flügelsatz unserer gelben Engel.
Die BMW R 67/2 mit Beiboot ging 1955 offiziell in den Betrieb. Nachdem der ADAC bereits 1928 einen ersten Straßenhilfsdienst gründete, begann die ADAC Straßenwacht, in ihrer heutigen Form, am 2. Mai 1954 ihren Dienst. Damals patrouillierte die Straßenwacht entlang der Autobahnen und sorgte so in ihrer Anfangszeit für sichere Straßen und erleichterte Fahrerinnen und Fahrer. Das Arbeitsgerät der „Engel der Straße“, wie die ausgebildeten Automechaniker damals schon genannt wurden, war die BMW R 67/2 mit Beiwagen, in dem Werkzeug transportiert wurde.
Und dass unser Exemplar tatsächlich ein echter Zeitzeuge dieser ersten Patrouillenfahrten ist, stellte sich während der Restauration heraus. Im bayerischen Schwaben, genauer gesagt in Friedberg bei Augsburg, bringt Hans Keckeisen, Experte für Metallformen, in seinem Betrieb seit 1995 Motorräder wieder zu altem Glanz. Darunter zum Beispiel eine BMW R68, die er für BMW selbst restaurierte oder auch einer originale Hildebrand & Wolfmüller aus dem Jahr 1896 für das Deutsche Museum München.
Dass wir unser Schmuckstück nur einem absoluten Experten anvertrauen würden, war selbstverständlich. Unser Gespann verbrachte fast ein ganzes Jahr in den meisterlichen Händen von Hans Keckeisen.
Während dieser Zeit entdeckte Keckeisen zusammen mit der ADAC Klassik-Abteilung in München und unserem Regionalclub Hinweise, die das Lastenboot eindeutig als das 144. Straßenwacht-Fahrzeug des ADAC identifizierten.
Mit der Seriennummer in der Hand wurde der Versuch gestartet, die Geschichte des Gespanns zu rekonstruieren: Dies gelang, unter anderem, mit Bildern aus dem Archiv des ADAC bis hin zu einem verschollenen Beitrag der SWR-Sendung „Rasthaus”, in dem der Fahrer des Gespanns sein Arbeitsgerät vorstellte. Leider sind von diesem Beitrag nur noch Produktionsbilder vorhanden.
Zum Glück konnten wir diese Präsentation im rbb-Sendegebiet nachholen.
Erik Reimelt war einer dieser ursprünglichen gelben Engel aus der Anfangszeit. Der heute 94-Jährige ehemalige Straßenwachtfahrer half gestrandeten Autofahrern entlang der A100 in West-Berlin. Sein Gespann parkte er an einer Tankstelle in der Bundesallee: Direkt gegenüber der heutigen Geschäftsstelle des ADAC Berlin-Brandenburg. Und er gab uns die Ehre, seine Geschichte und damit auch die der gelben Engel zu erzählen.
Bei dem Season Opening Day in der neuen BMW Motorrad Welt in Spandau am 5. April enthüllte Volker Krane, Vorstandsvorsitzender unseres Regionalclubs, das Straßenwacht-Gespann für die Öffentlichkeit.
Im Beisein aktueller Straßenwachtfahrer und zahlreicher begeisterter Motorradfans berichtete Erik Reimelt von der harten Arbeit der gelben (Erz-) Engel in den Anfangsjahren.
Angefangen bei dem nicht vorhandenen Schutz vor Regen, Schnee und Kälte bis hin zu der noch nicht ausgebauten Disposition, die die gelben Engel gezielt zu ihren Einsatzorten hätte leiten können. Aber er erzählte auch davon, wie dankbar die gestrandeten Menschen waren, die ohne seine Hilfe nicht an ihr Ziel gekommen wären.
Zumindest dieser Teil ist geblieben: Denn auch wenn weltweit nur noch zwei Gespanne dieser Kombination mit einer BMW R67/2 existieren, die Gelben Engel sind für die Menschen auf unseren Straßen ein Segen wie eh und je – und wir freuen uns, dass wir weiterhin Teil unserer gemeinsamen Mobilitätsgeschichte sein können.
Noch bis Mitte August können Interessierte das Gespann in der BMW Motorrad Welt (Am Juliusturm 32, 13599 Berlin) bestaunen, bevor es auf verschiedenen Oldtimer-Messen zu sehen sein wird.