Im Juni und September hat der MYC Preussen zwei der kniffligsten und visuell beeindruckendsten Veranstaltungen des Havelreviers. Wir haben mit Sportleiter Jörg Hartmann über die Orientierungsregatta, den Nachtpokal und das Selbstverständnis des Vereins gesprochen.
Die Orientierungsregatta des MYC Preußen e.V. ist eine wassersportliche Institution im Havelland. Bereits 22-mal, fast ein Vierteljahrhundert lang, fand der Wettbewerb auf der Unterhavel statt. Dabei vereint die „Ori“, wie sie liebevoll genannt wird, eine Gleichmäßigkeitsprüfung mit einer vorgeschriebenen Regattageschwindigkeit von 10 km/h und knifflige Fragen, die während der Fahrt zu lösen sind. Quasi ein 2-für-1-Deal. Frei getreu dem Motto „Schulbank statt Sandbank“ fragte Fahrtleiter Tom Weber umfassendes Bootswissen und Kenntnisse des eigenen Reviers ab. Aber auch Themen wie Navigation kamen nicht zu kurz und was wäre ein seemännischer Wettbewerb ohne Knoten?
„Ich bin immer wieder sehr angenehm überrascht. Bei der Regatta trennt sich die Spreu meistens vom Weizen in der Fahrzeit und nicht, weil die Leute zu wenig wissen.“, freut sich auch Sportleiter Jörg Hartmann über die Leistung der Teilnehmenden. „Wir versuchen immer, ein oder zwei sehr spezielle Fragen einzubauen. Das sind gerne mal augenzwinkernde Sachen: Welcher Vogel auf welcher Insel brütet, ist ja kein maritimes Fachwissen. Da geht es dann wirklich darum, Punktunterschiede für die Wertung zu finden.“
Umso wichtiger, weil die Regatta zudem ein Wertungslauf der Berliner Meisterschaft des Motoryachtverbandes Berlin (MVB) ist und damit auch regelmäßig Boote aus anderen Vereinen anzieht.
Am 29.6.24 stachen die Boote, startend vom Gatower Vereinsgelände, in See, um ihre Fähigkeiten mit dem Sportgerät und ihre Kenntnisse des Reviers auf der Unterhavel und den angrenzenden Nebengewässern auf die Probe zu stellen.
Während der Fahrt wurden, wie eingangs erwähnt, neben den fahrerischen Fähigkeiten auch die Navigationskünste und Revierkenntnisse getestet. Die Geschwindigkeit wurde auf Basis der gemessenen Vorbeifahrt an zwei Tonnen ermittelt, die Reaktion auf Tonnensituationen und Schallsignale getestet. Für die Orientierung im eigenen Revier sollten Fotos von Steganlagen und Situationen im Uferbereich erkannt und zugeordnet werden. In vergangenen „Oris“ war das zum Beispiel die Frage nach der korrekten Anzahl von Bänken in einer Parkanlage.
Aber auch nach Rückkehr auf festes Land war die „Ori“ für die internen und externen Teilnehmenden noch nicht beendet: Zwei Praxisaufgaben warteten noch! Bei gemessener Zeit mussten drei Fender, Schutzkörper am Boot, mit einem Webleinstek-Knoten an einer Stange befestigt werden; danach noch schnellstmöglich eine Automatik-Schwimmweste anlegen und richtig schließen, sodass auch der Themenbereich „Knoten und Sicherheit“ seinen verdienten Platz im Rampenlicht hatte.
Beim MYC Preußen e.V. ist man, so Hartmann, durchaus Stolz darauf, dass die „Ori“ den Ruf eines „kniffligen“ Wettbewerbs hat: „Ich kann mit meinem Boot zum Baden fahren den Rest ignorieren. Dass ist nicht das, was wir machen. Unsere Daseinsberechtigung ist, dass wir all das Wissen um das Maritime und auch um die Traditionen wahren und pflegen. Und eben auch Wert drauflegen, dass dieses Tradition auch in die kommenden Generationen weitergegeben wird.“
In der Wertungsklasse bis 9 Meter Bootslänge sicherte sich Andreas van Bon auf der „Funbon“ mit 352 Punkten souverän den ersten Platz. Mit 321 Punkten folgte ihm Burkhard Krüger auf der „Contura“ auf Silber. Bronze sicherten Jens Kämereit und „Margarete“ mit 306 Punkten.
Die Wertungsklasse über 9 Meter Bootslänge gewann Klaus Herrmann mit „Camira“ die Goldmedaille (mit 380 Punkten). Auf der „MY Stern“ holte Klaus F. Fronmüller mit 356 Punkten Silber und Ingo Raebel holte auf der „Moby Dick“ mit 323 Punkten Bronze.
„Navifuchs“ 2024 wurde ebenfalls Andreas van Bon. Er erhält den Sonderpokal in der Sonderwertung für Navigationsaufgaben.
Auch der Nachtpokal des MYC Preußen e.V. war dieses Jahr wieder ein Highlight. Wie jedes Jahr haben die Mitglieder des Vereins ihre Boote in leuchtende Schale geworfen. Bei über 30 Grad gingen die knapp 30 Boote in den Wettbewerb. Die hochsommerlichen Temperaturen sorgten für den wärmsten Nachtpokal aller Zeiten und auch im Wettbewerb ging es heiß her.
Der Nachtpokal ist eine Achterbahnfahrt – nicht nur der Gefühle. Denn vor allem ist sie eine gemeinschaftliche Korsofahrt auf einer achtförmigen Route, sodass die Jury am Steg beide Seiten der dekorierten Boote begutachten kann. Im Gegensatz zur inhaltlich fordernden Orientierungsregatta steht beim Nachtpokal rein die Beleuchtung zur Bewertung.
Die Kreativität der Teilnehmenden begeistert Sportleiter Jörg Hartmann und seine fünfköpfige Jury Jahr für Jahr. Zwar sei alles schon mal da gewesen – von Schneemannmotiv bis Wikingerboot, aber „dieses Jahr ist mir ein Boot besonders aufgefallen, was eine Lichtinstallation gen Himmel hatte. Das fand ich extrem spektakulär. Je weiter man von diesem Boot weg war, desto beeindruckender fand ich dieses Design. Es war eine Hammerlichtshow“, so Hartmann.
Da der Nachtpokal zudem als Wertungslauf der Bezirksmeisterschaft im Havelrevier im Fahrtensport des Motoryachtverbands Berlin (MVB) gilt, zählte der Einsatz gleich doppelt: Wie in den Jahren zuvor punkteten besonders die Boote, die ein klares Thema darstellten:
Das Oktoberfestboot „Moby Dick“ von Ingo Raebel konnte besonders überzeugen und sich den Gesamtsieg sichern. Er trat in der Wertungsklasse über 9 Meter Bootslänge an und sicherte seinen Sieg mit dem Einsatz der ganzen Familie in Lederhose und Dirndl. Ob er den Sieg trotz oder aufgrund der musikalischen Untermalung durch Blasmusik und Jodeleinlagen holte, ist nicht überliefert.
Auf Rang zwei folgte in der Klasse über 9 Meter Bootslänge die „Jay-Li“ von Familie Sturm/ Libera mit Party-Disko.
Bis 9 Meter Bootslänge holte das Piratenboot „Margarete“ von Jens Kämereit sich das Gold, wie es sich für ein Piratenschiff gehört, vor der silbernen „Seeteufel“ von Familie Hackforth und der „Seestern“ von Jennifer Pächnatz mit Bronze.
Die blau-weiße Hertha konnte in Vertretung durch Dr. Marcus Brandt und „Hela“ einen Klasse(n)Sieg bei den offenen Sportbooten holen. Der Hertha-Dampfer mit blau-weißer Crew überzeugte mit hingebungsvollem Gesang und drehbarem Schriftzug.
Auf dem Silberrang folgte die „Baja“ von Alexander Strehlow, Bronze ging an Sebastian Schmidt und die „Black Pearl“.
Der Verein empfängt auf seinem Gelände in Gatow gerne neue Mitglieder. Mit und ohne eigenes Sportgerät:
„Der Verein hat um die 160 Mitglieder“, rechnet Jörg Hartmann vor, „und 60 Liegeplätze. Bei uns können gar nicht alle ein eigenes Boot haben. Das ist auch nicht nötig, denn was uns alle verbindet, ist, dass dieses Gemeinschaftliche und auch die maritime Tradition als solche im Mittelpunkt steht.“