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„Für jeden Hintern 50 Zentimeter, keinen Millimeter mehr!“

Erinnerungen von AVUS-Rennleiter Gerhard Gottlieb

In diesem Jahr feierte die AVUS ihren 100. Geburtstag. 20 Jahre davon begleitete Gerhard Gottlieb die „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße“ als Rennleiter. Mit uns spricht das ehemalige Vorstandsmitglied des ADAC Regionalclubs über Sternstunden, Tragödien und die skurrile 50-Zentimeter-Regel.

 

Herr Gottlieb, den ersten Kontakt zur AVUS hatten Sie sicher nicht erst 1978, als Sie Rennleiter wurden, oder?

Ich bin an der AVUS groß geworden! Ich erinnere mich an die Besuche mit meinem Vater: Immer, wenn ein Rennen stattfand, waren auch wir da. Damals gehörte es für Berliner ja quasi zum guten Ton, regelmäßig zur AVUS zu dackeln. Es gibt ein Füllhorn an Erinnerungen, die ich der AVUS über die Jahrzehnte zu verdanken habe, ob nun als Zuschauer, aktiver Sportler oder Funktionär.

 

Gibt es in diesem Füllhorn das eine Rennen, das heraussticht?

Das für mich bedeutendste und auch schönste Rennen hatten wir 1980 im BMW-M1-Cup. 50 Prozent des Teilnehmerfelds bestand aus ehemaligen und aktiven Formel-1-Fahrern. Das war ein Highlight hoch drei! Näher an die Formel 1 kam die Stadt nie wieder.

 

Wir haben recherchiert: ohne Sie wäre die Tribüne in den 70er und 80er Jahren nie so voll gewesen. Was hat es damit auf sich?

Als ich Rennleiter wurde, habe ich gefragt, wie die damalige Anzahl der Plätze auf der Haupttribüne zustande kam. Die Antwort „das war schon immer so“ reichte mir nicht. Als ich dann sagte: „jetzt wird alles neu vermessen!“, machten alle große Augen. Meine Ansage: Für jeden Hintern 50 Zentimeter und keinen Millimeter mehr! Die Tribüne war immer voll und die Bänke sollten schließlich für die Menschen sein und nicht für ihre Kühltaschen. Am Ende haben wir so über 200 Sitzplätze gewonnen.

 

Wir haben etwas von 2.500 Plätzen gelesen!?

Ach so! Wenn man die gesamte Strecke einberechnet, stimmt das sicherlich. Man wird es kaum glauben, aber damals konnte man mit ein paar netten Worten und ein paar Kisten Bier noch etwas bewegen! Ich ging zu den Anwohnern in der Nähe der Süd-Kehre, die bis dahin nur von hohem Gras eingefasst wurde. Schon kurze Zeit später mähten wir den Rasen und konnten dort eine weitere Tribüne bauen.

 

Zu dem Mythos AVUS gehören aber auch 12 Menschen, die ihr Leben ließen. Welcher Unfall bleibt für Sie unvergessen?

Das Schlimmste, was ich erlebt habe, war die Todesfahrt von Kieth O'dors bei der STW (Super Tourenwagen Cup; Anm. d. Red.) 1995. Das war eine Tragödie. Vier Audis konnten noch ausweichen, nachdem er sich auf der Strecke gedreht hatte. Frank Bieler knallte aber ungebremst rein - frontal in die Fahrerseite. O'dors starb noch in dieser Nacht im Krankenhaus.

 

Man merkt, welche Bedeutung die AVUS für Sie noch immer hat. Wie soll es, wenn es nach Ihnen geht, mit ihr weitergehen? 

Auch wenn es der Senat womöglich vergessen hat: Die AVUS ist weltbekannt und ihre Tribüne eines der Wahrzeichen unserer Stadt. Daher wünsche ich mir, dass die Tribüne fit für die Zukunft gemacht wird und somit auch künftigen Generationen erhalten bleibt.

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